Im Scheidungsrecht gilt das sog. Zerrüttungsprinzip. Das bedeutet: Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Und dieses Scheitern muss nicht einmal nachgewiesen werden, sondern wird nach einem Jahr des Getrenntlebens widerlegbar und nach drei Jahren des Getrenntlebens unwiderlegbar vermutet. Diese Grundsätze können jedoch nicht auf das Mietrecht und damit auch nicht auf das Verhältnis von Mieter und Vermieter übertragen werden.
Strafanzeige veranlasste den Vermieter zu fristloser Kündigung
Dies hat jüngst der BGH mit Urteil vom 29.11.2023 – VIII ZR 211/22- entschieden. In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte der Vermieter dem Mieter gegenüber eine fristlose Kündigung ausgesprochen. Dieser Kündigung waren jahrelange Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien wegen angeblicher beidseitiger Vertragsverletzungen vorausgegangen. Ausschlaggebend für die Kündigung war letztendlich, dass der Vermieter in einem auch an eine im Haus lebende Familie türkischer Abstammung gerichteten Schreiben – nach den Feststellungen der Vorinstanz unzutreffend – erklärt hatte, der Mieter habe sich rassistisch gegenüber Ausländern geäußert. Dieser Vorwurf veranlasste den Mieter wiederum dazu, den Vermieter wegen Verleumdung anzuzeigen. Wegen dieser Strafanzeige und des „zerrütteten“ Mietverhältnisses erklärte der Vermieter die außerordentliche fristlose, hilfsweise die fristgemäße Kündigung des Mietverhältnisses.
Zerrüttung muss zumindest auch pflichtwidrig herbeigeführt worden sein
Der BGH erklärte die Kündigung für unwirksam und führte zur Begründung aus, die von § 543 Abs.1 BGB für eine fristlose Kündigung erforderliche Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses könne nicht bejaht werden. Eine Zerrüttung des Verhältnisses zwischen Mieter und Vermieter im Sinne einer Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage reiche allein nicht aus, um den Mietvertragsparteien ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses gem. § 543 Abs.1 BGB zuzubilligen. Erforderlich sei vielmehr, dass die Zerrüttung zumindest auch durch ein pflichtwidriges Verhalten des anderen Vertragsteils (des Kündigungsempfängers) verursacht worden sei. Dass die Zerrüttung des Mietverhältnisses ohne festgestelltes pflichtwidriges Verhalten einer Vertragspartei für eine fristlose Kündigung ausreiche, könne – so der BGH – auch nicht dem Rechtsgedanken des § 573a Abs.1 BGB entnommen werden. Der darin enthaltene Rechtsgedanke sei nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar, da diese Vorschrift lediglich das Recht des Vermieters zur ordentlichen Kündigung bei einem von ihm selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen regele und zur außerordentlichen fristlosen Kündigung bei einem Mehrfamilienhaus keine Aussage träfe. Da ein daher erforderliches pflichtwidriges Verhalten des Mieters, das zu der Zerrüttung zumindest beigetragen hat, nicht vorläge, sei der Vermieter nicht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung gem. § 543 Abs.1 BGB berechtigt.
Fazit
Der BGH verdeutlicht die Unterschiede zwischen Scheidungs- und Mietrecht und wendet die zum Gewerbemietrecht bereits entwickelten Grundsätze auch im Wohnraummietrecht an. Die Prozessführung wird dadurch allerdings für die beweispflichtige, kündigende Partei nicht einfacher, da es nicht immer leicht ist, eine Pflichtwidrigkeit des Kündigungsempfängers nachzuweisen.
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