Der Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) am 3. Oktober 1990 zur Bundesrepublik Deutschland (BRD) liegt nun über 34 Jahre zurück. Die meisten derzeit gültigen Mietverträge wurden demzufolge nach der Wiedervereinigung abgeschlossen. In diesen Fällen besteht kein Zweifel, dass die Mietverhältnisse den Vorschriften des BGB unterliegen. Es gibt aber auch noch sog. DDR – Altmietverträge, d.h. solche Mietverträge, die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR vor dem Beitritt der DDR zur BRD geschlossen wurden. Kommt es in diesen Fällen zum Streit zwischen Mieter und Vermieter, taucht immer wieder die Frage auf, ob sich die Rechtsfrage nach den Vorschriften des BGB oder aber nach den mietrechtlichen Vorschriften des ZGB (Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik) richtet. Die Beantwortung der Frage, welche Vorschriften Anwendung finden, ist insbesondere im Falle einer vom Vermieter ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung von entscheidender Bedeutung. Der Grund hierfür liegt darin, dass das BGB es in § 573 Abs.2 Nr.2 BGB für die Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung lediglich zur Voraussetzung macht, dass der Vermieter die Wohnung für sich oder (Haushalts-) Angehörige benötigt. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es hierfür, dass der Vermieter einen vernünftigen und nachvollziehbaren Grund für seinen Nutzung- bzw. Überlassungswunsch hat. Die Anforderungen, die das ZGB an eine wirksame Beendigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs stellte, waren hingegen ungleich höher. Zum einen konnte der Vermieter das Mietverhältnis nicht selbst durch eine Kündigung beenden. Er war hierfür vielmehr auf die Hilfe eines Gerichts angewiesen. Gem. § 120 Abs.1 S.2 ZGB konnte das Mietverhältnis auf Verlangen des Vermieters gegen den Willen des Mieters nämlich nur durch ein Gericht aufgehoben werden. Außerdem lies das ZGB das Vorliegen eines vernünftigen und nachvollziehbaren Grundes des Vermieters für seinen Nutzung- bzw. Überlassungswunsch für eine derartige gerichtlich beantragte Aufhebung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs nicht ausreichen. Erforderlich war gem. § 122 Abs.1 S.1 ZGB, dass der Vermieter die Wohnung aus gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen dringend benötigt. Auf Grund dieser unterschiedlichen Hürden verwundert es nicht, dass Mieter im Falle einer Kündigung eines DDR – Altmietvertrages wegen Eigenbedarfs auch heute noch hin und wieder der Auffassung sind, die Wirksamkeit der Kündigung sei nach den Vorschriften des ZGB zu beurteilen. Da der Vermieter in diesen Fällen naturgemäß das Gegenteil vertritt, ist ein Streit nicht ausgeschlossen, der durchaus auch vor Gericht enden kann.
Der Fall – Vermieter kündigte DDR – Altmietvertrag wegen Eigenbedarfs
Zu einem entsprechenden Streit über die anwendbaren Rechtsvorschriften war es auch in dem Fall gekommen, der der Entscheidung des BGH vom 13.11.2024 zu Grunde lag. In diesem Fall hatten die Mieter mit der Rechtsvorgängerin des aktuellen Vermieters im Juli 1990 einen unbefristeten Mietvertrag über eine im früheren Ost – Berlin gelegene Wohnung geschlossen. In diesem Vertrag wurde hinsichtlich einer Beendigung des Mietverhältnisses auf die Vorschriften des Zivilgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik (§§ 120 ff. ZGB) Bezug genommen und geregelt, dass das Mietverhältnis entweder durch eine Vereinbarung der Vertragspartner, durch eine Kündigung durch den Mieter oder durch gerichtliche Aufhebung endet. Der Vermieter erklärte zunächst im Jahr 2020 und knapp zwei Jahre später, also im Jahr 2022, erneut die Kündigung wegen Eigenbedarfs. Da die Mieter die Wohnung nicht räumten, erhob der Vermieter beim Amtsgericht Berlin – Mitte eine Räumungsklage, der das AG Berlin – Mitte auch stattgab. Mit ihrer beim LG Berlin eingelegten Berufung hatten die Mieter allerdings Erfolg. Das LG Berlin hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Räumungsklage ab. Es machte die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung auf Grund der im Mietvertrag enthaltenen Regelung über die Beendigung des Mietverhältnisses, mit der – so das Gericht – konkludent auf § 120 ff. ZGB Bezug genommen werde, nämlich von der durch § 122 Abs. 1 ZGB angeordneten weiteren Wirksamkeitsvoraussetzung abhängig, nämlich derjenigen, dass die Wohnung vom Vermieter „dringend“ benötigt wird. Zumindest dann, wenn eine eigenständige vertragliche Regelung vorläge, die unter der Geltung des ZGB wirksam vereinbart worden sei, würde – so das LG Berlin – diese Vereinbarung den Vorschriften des BGB vorgehen, soweit sie nicht gegen zwingendes (Miet-) Recht verstieße, was vorliegend nicht der Fall sei. Die daher erforderliche, aus gesellschaftlichen Gründen resultierende Dringlichkeit des Nutzungswunsches des Vermieters läge nicht vor.
Die Entscheidung
Die beim BGH eingelegte Revision des Vermieters führte zur Zurückverweisung an das LG Berlin zur Klärung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 573 Abs.2 Nr.2 BGB für eine Eigenbedarfskündigung vorliegen. Dies hatte das LG Berlin nämlich nicht geprüft, da es die Vorschrift des § 122 Abs.1 ZGB für anwendbar hielt und dementsprechend davon ausgegangen war, dass eine Eigenbedarfskündigung nur möglich sei, wenn der Vermieter die Wohnung aus gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen dringend benötigt. Diesen Prüfungsmaßstab hielt der BGH für fehlerhaft. Die Voraussetzungen für eine Eigenbedarfskündigung ergäben sich – so der BGH – ausschließlich aus dem BGB, und daher aus § 573 Abs.2 Nr.2 BGB. Dass allein die Vorschriften des BGB, und nicht diejenigen des ZGB anwendbar seien, ergäbe sich aus der Übergangsvorschrift des § 232 § 2 EGBGB. Gemäß Art. 232 § 2 EGBGB richten sich Mietverhältnisse aufgrund von Verträgen, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland geschlossen worden sind, von diesem Zeitpunkt an nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Diese Regelung verbiete es, die Regelungen des ZGB nach der Wiedervereinigung weiter anzuwenden. Dies gelte – so der BGH – nicht nur dann, wenn die Parteien lediglich in deklaratorischer Weise auf die §§ 120 ff. ZGB Bezug genommen hätten, sondern auch dann, wenn – wie der BGH es im konkreten Fall annahm- eine eigenständige vertragliche Regelung der Parteien vorläge, nach der sich die Anforderungen für eine Eigenbedarfskündigung aus § 122 Abs.1 ZGB ergäben.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergäbe sich die Möglichkeit der Fortgeltung einer von den Vorschriften des BGB abweichenden eigenständigen vertraglichen Vereinbarung auch nicht aus § 229 § 3 Abs.10 EGBGB. Diese Vorschrift, wonach eine vertragliche Vereinbarung, die entgegen des in § 573 Abs.4 BGB enthaltenen Verbots zum Nachteil des Mieters von den in § 573 c Abs.1 -3 BGB geregelten Kündigungsfristen abweiche, fort gilt, wenn die Vereinbarung vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes, also am 1. September 2001 erfolgt ist, betreffe ausschließlich den dort geregelten Fall. Dass dem Mieter eines DDR – Altmietvertrages kein dem Art. 229 § 3 Abs.10 EGBGB entsprechender Vertrauensschutz gewährt werden solle, sondern die Befugnis des Vermieters zur Beendigung eines bestehenden Wohnraummietvertrags gegen den Willen des Mieters durch die spezielle gesetzliche Vorschrift in Art. 232 § 2 EGBGB abschließend geregelt sei, ergäbe sich – so der BGH – aus den, dem aktuellen Art. 232 § 2 EGBGB vorangegangenen Regelungen des Art. 232 § 2 Abs. 2 EGBGB in der Fassung des Einigungsvertrages. Darin seien nämlich durchaus für eine Übergangszeit auf Grund einer auf einer umfassenden Interessenabwägung sowohl die Schutzbedürftigkeit des Mieters als auch die Belange des Vermieters berücksichtigt worden. Die frühere Fassung des Art. 232 § 2 EGBG sei durch das Gesetz vom 31. März 2004 mit Wirkung zum 1. Mai 2004 aufgehoben worden, wodurch zum Ausdruck käme, dass der bis zum 30. April 2004 gewährte Vertrauensschutz entfallen solle und sich die Befugnis des Vermieters, ein vor dem 3. Oktober 1990 begründetes Mietverhältnis gegen den Willen des Mieters zu beenden, ab dem 1. Mai 2004 ausschließlich nach den Vorschriften des BGB richten solle. Auf Grund der Zurückverweisung der Sache an das LG Berlin muss dieses nun darüber entscheiden, ob die Kündigung nach Maßgabe des § 573 Abs.2 Nr.2 BGB wirksam ist.
Fazit
Der BGH stellt unmissverständlich klar, dass die Vorschriften des Zivilgesetzbuches der DDR auf DDR- Altmietverträge, die vor dem 3. Oktober 1990 geschlossen wurden, keine Anwendung mehr finden, so dass der Vermieter auch ein DDR – Altmietverhältnis wegen Eigenbedarfs kündigen kann, wenn er die Wohnung i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.2 BGB benötigt. Es bedarf daher weder einer von § 122 Abs.1 ZGB damals vorausgesetzten Dringlichkeit des Nutzungswunsches, noch muss sich dieser aus gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen ergeben. Dies gilt nach dem eindeutigen Urteil des BGH nicht nur in denjenigen Fällen, in denen die Parteien lediglich in deklaratorischer Weise auf die Regelungen ZGB über die Beendigung des Mietverhältnisses Bezug genommen haben, sondern auch dann, wenn eine eigenständige vertragliche Regelung der Parteien vorliegt, nach der sich die Anforderungen für eine Eigenbedarfskündigung denjenigen des § 122 Abs.1 ZGB entsprechen.
Mit der höchstrichterlich noch nicht entschiedenen, vom Berufungsgericht verneinten Frage, ob ein Recht zur Kündigung eines auf unbestimmte Zeit geschlossenen Wohnraummietvertrages in entsprechender Anwendung des § 544 BGB dann besteht, wenn das Kündigungsrecht für eine Partei vertraglich nicht vollständig, sondern nur teilweise ausgeschlossen ist, hat sich der BGH mangels Entscheidungserheblichkeit nicht auseinandergesetzt.
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