Mieter können leicht einmal in die Situation geraten, ihre Miete nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zahlen zu können. In solchen Fällen gerät schnell der Fortbestand des Mietverhältnisses in Gefahr. Schon dann nämlich, wenn der Mieter entweder für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für einen Monat übersteigt oder dann, wenn er in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht, kann der Vermieter das Mietverhältnis gem. §§ 543 Abs.2 S.1 Nr.3, 569 Abs.3 Nr.1 BGB außerordentlich fristlos kündigen. Diese Rechtsfolge trifft Mieter insbesondere dann unverhältnismäßig hart, wenn nur ein vorübergehender Zahlungsengpass vorlag oder der Mieter (rückwirkend) Anspruch auf staatliche Unterstützung hat, so dass die zuverlässige Zahlung der Miete grds. garantiert ist. Da dies auch dem Gesetzgeber klar war, hat er in § 569 Abs.3 Nr.2 BGG einen Schutzmechanismus zu Gunsten des Mieters eingebaut. Die dort verankerte Möglichkeit der sog. Schonfristzahlung verleiht dem wegen Zahlungsverzugs fristlos gekündigten Mieter die Möglichkeit, die Kündigung nachträglich ungeschehen machen zu können, indem er den Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit eines etwaigen Räumungsanspruchs (d.h. der Zustellung der Räumungsklage des Vermieters) vollständig nicht nur bzgl. der rückständigen Miete, sondern auch bzgl. eines Anspruchs des Vermieters auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung gem. § 546a Abs.1 BGB befriedigt oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet.
Dass durch diese sog. Schonfristzahlung die Wirkungen einer außerordentlichen fristlosen Kündigung entfallen, ist und war niemals streitig. Da viele Vermieter in den Fällen des Zahlungsverzugs jedoch zumindest hilfsweise auch eine ordentliche fristgerechte Kündigung gem. § 573 Abs.2 Nr.1 BGB wegen nicht unerheblicher Pflichtverletzung des Mieters aussprechen, stellt sich schon lange die Frage, ob durch die Schonfristzahlung auch die ordentliche fristgerechte Kündigung ihrer Wirkung beraubt wird. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, mit der diese Frage verneint wird, gibt es ebenso wenig wie eine Regelung, die die Möglichkeit, die Kündigung durch nachträgliche Zahlung unwirksam werden zu lassen, auch bei der ordentlichen fristgerechten Kündigung zulässt. Der BGH hat sich schon frühzeitig mit dieser Frage auseinandergesetzt und vertritt seit jeher die eindeutige Meinung, die Möglichkeit der Schonfristzahlung beziehe sich ausschließlich auf die außerordentliche fristlose Kündigung (vgl. BGH, Urteil vom 16. 02. 2005 – VIII ZR 6/04). Seine bereits im Jahr 2005 dargelegte Rechtsauffassung hat der BGH immer wieder bekräftigt (vgl. BGH, Urteil vom 13.10.2021 – VIII ZR 91/20; BGH, Urteil vom 05.10.2022 – VIII ZR 307/21).
Nicht grds. ausgeschlossen hat der BGH zwar, dass die nachträgliche Befriedigung des Vermieters die Pflichtverletzung des Mieters als nicht erheblich genug i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.1 BGB erscheinen lassen kann oder dass der Aufrechterhaltung der Kündigung trotz inzwischen erfolgter Zahlung der Einwand des Rechtsmissbrauchs (vgl. § 242 BGB) entgegenstehen kann. In seinem Urteil vom 10.10.2012- VIII ZR 107/12 – hat der BGH dies für den der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall zwar verneint. Der Grund hierfür lag allerdings darin, dass die Befriedigung des Vermieters erst neun Monate nach dem Ausspruch der Kündigung erfolgte.
Weder diese gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH noch die Tatsache, dass der BGH die davon stets abweichenden Entscheidungen des LG Berlin durchgehend aufgehoben hat, haben die Berliner Richter der 66. Kammer jedoch davon abgehalten, immer wieder anders zu entscheiden (vgl. LG Berlin, Urteil vom 30.03.2020 – 66 S 293/19; LG Berlin, Urteil vom 20.08.2021 – 66 S 98/20; LG Berlin, Urteil vom 01.07.2022 – 66 S 200/21; LG Berlin, Urteil vom 31.03.2023 – 66 S 149/22).
Der Fall
Dem BGH und seiner gefestigten Rechtsprechung stellte sich das LG Berlin jüngst erneut mit seiner Entscheidung vom 10.05.2023 – 66 S 258/22 – entgegen. In diesem Fall zahlten die Mieter die Miete für die Monate Oktober 2019, Januar 2020 und Mai 2021 nicht. Nachdem die Vermieterin sie mehrmals schriftlich an ihre Mietzahlungsverpflichtungen erinnert hatte, erklärte sie mit Schreiben vom 08.06.2021 die außerordentliche fristlose und hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs. Am 30.06.2021 glichen die Mieter die Mietrückstände vollständig aus.
Das in erster Instanz zuständige Amtsgericht Berlin – Kreuzberg gab der daraufhin von der Vermieterin erhobenen Räumungsklage aufgrund der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses statt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Mieter änderte das Landgericht Berlin das erstinstanzliche Urteil ab und wies die Klage ab. Zur Begründung der Abweisung führte es aus, es sei – wie bisher – aus Rechtsgründen daran festzuhalten, dass eine rechtzeitige Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB neben der außerordentlichen fristlosen Kündigung auch eine hilfsweise ordentliche fristgemäße Kündigung heile, sofern diese auf denselben (ausgeglichenen) Zahlungsrückstand gestützt werde. Dies ergäbe sich aus einer entsprechenden Auslegung der gesetzlichen Vorschriften. Einer entsprechenden Auslegung stehe – so das LG Berlin – weder die Tatsache entgegen, dass der Gesetzgeber die Erstreckung der Wirkungen der Schonfristzahlung auf die ordentliche Kündigung trotz entsprechender Anträge gesetzlich nicht geregelt habe, noch sei die entgegengesetzte Rechtsprechung des BGH bindend.
Die Entscheidung
Der BGH hob auch dieses Urteil des LG Berlin auf und verwies die Sache – wohl um eine Wiederholung zu vermeiden – an eine andere Kammer des LG Berlin zurück. Zur Begründung führt der BGH aus, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei die (ebenfalls) auf die ausgebliebenen Mietzahlungen der Mieter gestützte ordentliche fristgerechte Kündigung nicht infolge der Schonfristzahlung nach § 569 Abs.3 Nr. 2 S. 1 BGB unwirksam geworden. Eine solche Zahlung habe lediglich Folgen für die außerordentliche fristlose Kündigung gem. § 543 Abs. 2 S.1 Nr. 3 i. V. m. § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Eine auf den zum Kündigungszeitpunkt bestehenden Mietrückstand zugleich gestützte ordentliche fristgerechte Kündigung nach § 573 Abs.1 S.1, Abs. 2 Nr. 1 BGB bleibe von der Schonfristzahlung unberührt. Die entsprechende Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB sei auf die ordentliche fristgerechte Kündigung weder unmittelbar noch analog anwendbar. Zur Begründung dieser Auffassung verwies der BGH vollumfänglich auf seine Urteile vom 13.10.2021 – VIII ZR 91/20 – und vom 05.10.2022 – VIII ZR 307/21-, mit denen er bereits die Entscheidungen des LG Berlin vom 30.03.2020 – 66 S 293/19 – und vom 20.08.2021 – 66 S 98/20 – aufgehoben hatte. Mit seinen damaligen Urteilen hatte der BGH bereits ausgeführt, die auf die außerordentliche fristlose Kündigung beschränkte Wirkung des Nachholrechts des Mieters entspreche dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, so dass der gem. Art. 20 Abs.3 GG an Gesetz und Recht gebundene Richter diese Entscheidung nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen dürfe, die so im Gesetzgebungsverfahren (bisher) nicht erreichbar gewesen sei. Eine Auslegung der gesetzlichen Vorschriften in der Weise, dass die nachträgliche Zahlung automatisch auch zur Unwirksamkeit der ordentlichen fristgerechten Kündigung führe, sei nicht möglich, da der Gesetzgeber zu dieser Frage nicht lediglich geschwiegen und die Ansicht des BGH unbeanstandet gelassen habe, wie es nach der Auffassung des LG Berlin der Fall sei. Vielmehr habe das Parlament Gesetzesvorhaben, welche der Norm einen weitergehenden Anwendungsbereich geben und zu einer Erstreckung der Schonfristzahlung auf die ordentliche fristgerechte Kündigung führen sollten, nicht nur nicht weiterverfolgt, sondern mehrfach Gesetzesanträge mit diesem Inhalt ausdrücklich abgelehnt. Diese Umstände sprächen – so der BGH bereits in den Jahren 2021 und 2022 – im Ergebnis eindeutig dafür, dass der Gesetzgeber das vom BGH und vielen anderen Instanzgerichten vertretene Normverständnis als weiterhin geltende Rechtspraxis ansehe und an diesem Rechtszustand (jedenfalls derzeit) noch keine Änderungen vornehmen wolle. Hieran habe sich – wie der BGH nun mit seinem aktuellen Urteil vom 23.10.2024 ausführt- auch in der Zwischenzeit nichts geändert.
Da das LG Berlin weder eine Prüfung der Frage vorgenommen hatte, ob die durch den Zahlungsverzug begangenen Pflichtverletzung der Mieter auch unter der Berücksichtigung der nachträglichen Zahlung als nicht unerheblich i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.1 BGB einzustufen sei, noch eine Prüfung erfolgt sei, ob der Aufrechterhaltung der Kündigung trotz inzwischen erfolgter Zahlung der Einwand des Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB entgegenstehe, erfolgte eine Zurückverweisung an das LG Berlin. Die nun mit der Sache befasste andere Kammer hat diese Fragen nun anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer und Höhe des Zahlungsverzugs zu klären.
Fazit
Der BGH bleibt bei seiner ständigen und gefestigten Rechtsprechung, dass die nachträgliche Zahlung der rückständigen Miete nicht automatisch auch zur Unwirksamkeit der ordentlichen fristgerechten Kündigung führt, und erteilt dem Versuch des LG Berlin, sich mit seiner abweichenden Meinung durchzusetzen, erneut eine Absage. Nicht erst jetzt sollte daher feststehen, dass es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedarf, um die Wirkungen der Schonfristzahlungen auch auf die ordentliche fristgerechte Kündigung erstrecken zu können. Seit dem Ende der Ampelregierung, die dieses Ziel vage in ihrem Koalitionsvertrag verankert hatte (vgl. dort S.71), und auf Grund der anstehenden Neuwahlen ist es derzeit mehr als ungewiss, ob es zu einer entsprechenden Regelung kommen wird. Es wird also (vorerst) bzgl. der ordentlichen fristgerechten Kündigung weiterhin darauf ankommen, ob im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung insbesondere der Dauer und Höhe des Zahlungsverzugs die Pflichtverletzung der Mieter auf Grund der nachträglichen Zahlung nicht als erheblich genug i. S. d. § 573 Abs.2 Nr.1 BGB einzustufen ist, oder der Aufrechterhaltung der Kündigung trotz inzwischen erfolgter Zahlung der Einwand des Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB entgegensteht.
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