Normale Gerichtsverfahren können sich Ewigkeiten in die Länge ziehen. Wer dann zu seinem Recht kommen will, braucht Geduld. Dafür ist aber nicht immer Zeit. Drohen in einer aktuellen Situation Nachteile, bietet das Gesetz die Möglichkeit, bei Gericht eine einstweilige Verfügung zu beantragen (§§ 935, 940 ZPO).
Einstweilige gerichtliche Verfügungen sind Sicherungsverfahren mit vorläufigem Charakter. Das Gericht entscheidet noch nicht endgültig über den Rechtsstreit. Es trifft nur eine vorläufige Verfügung, soweit der Antragsteller einen Rechtsanspruch schlüssig vortragen und begründen kann. Die endgültige Entscheidung trifft das Gericht in einem anschließenden Hauptverfahren.
Im einstweiligen Verfügungsverfahren kommt es auf die Dringlichkeit an
Im einstweiligen Verfügungsverfahren tritt an die Stelle der vollständigen Beweisführung die Glaubhaftmachung. In besonders dringenden Fällen kann das Gericht auch ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Der Antragsgegner hat das Recht zum Widerspruch.
Voraussetzung ist, dass der Antragsteller einen Verfügungsanspruch vorträgt und einen Verfügungsgrund glaubhaft macht. Er muss vortragen, warum er eine schnelle einstweilige Maßnahme benötigt und warum er sein Ziel nicht ebensogut dadurch erreichen kann, dass er auf dem normalen Rechtsweg ein vollstreckungsfähiges Urteil erstreitet. Er muss also die Dringlichkeit (Eilbedürftigkeit) darlegen.
Diese Dringlichkeit fehlt, wenn der Antragsteller in Kenntnis der Umstände zu lange zuwartet. In der Regel sollte er binnen 6 Wochen tätig werden. Diese Dringlichkeit wurde verneint, wenn der Erlass der einstweiligen Verfügung zum Betreten der Mieträume zur Schädlingsbekämpfung erst 3 Wochen nach Ortsbesichtigung durch die beauftragte Firma beantragt wird (AG Vilbel WuM 1989, 207).
Gerichtliche Verfügungen sind auch riskant
Auf der Grundlage der einstweiligen Verfügung kann der Antragsteller seinen Rechtsanspruch zwangsvollstrecken, geht aber das Risiko ein, dass das Gericht im folgenden Hauptverfahren seinen Anspruch als unbegründet zurückweist. Dann ist er dem Antragsgegner gegenüber schadensersatzpflichtig. Insoweit sind einstweilige gerichtliche Verfügungen ein heißes Eisen.
Einstweilige gerichtliche Verfügungen in Einzelfällen
Versorgungssperre
Die Interessenabwägung geht zu Lasten des Mieters, wenn der Vermieter das Mietverhältnis gekündigt hat, der Mieter sich mit der Mietzahlung in Verzug befindet und der Vermieter die Versorgungsperre vorher angekündigt hat. In diesem Fall wird in der Regel das Räumungsbegehren des Vermieters gegenüber dem Interesse des Mieters an der Aufrechterhaltung der Nutzung der Mietsache höher bewertet. Da der Vermieter nicht mehr verpflichtet ist, dem Mieter die Mieträume zur Verfügung zu stellen, kann der Mieter nicht erwarten, dass er die Räume vertragsgemäß nutzen kann. Insbesondere ist dies dann anzunehmen, wenn der Vermieter auch noch selbst Vertragspartner des Energieversorgungsunternehmens ist und den vom Mieter verursachten Energieverbrauch vorab bezahlen muss.
In einem Fall des KG Berlin war es allerdings so, dass der Vermieter trotz der Kündigung des Mietverhältnisses aufgrund einer nachvertraglichen Treuepflicht verpflichtet wurde, dem Betreiber eines Friseursalons die Wasserversorgung zu gewähren (KG Berlin ZMR 2011, 885). Dabei handelte es sich allerdings um eine Einzelfallentscheidung, die auch gegenteilig beurteilt werden kann (so Streyl NZM 2011, 765).
Während des bestehenden Mietverhältnisses kann der Vermieter erst recht zum vertragsgemäßen Verhalten gezwungen werden, wenn er Heizung, Strom oder Wasser abstellt oder den Zugang zu bestimmten Räumlichkeiten verweigert (LG Osnabrück WuM 1980, 198).
Modernisierungsmaßnahmen
Soweit der Vermieter die Räumlichkeiten modernisieren will, werden Anträge auf Erlass einstweiliger Verfügungen meist abgelehnt. Dies soll selbst dann gelten, wenn der Vermieter die Arbeiten terminlich projektiert hat (AG Görlitz WuM 1993, 390), die Verpflichtung öffentlicher Modernisierungszuschüsse oder die Kündigung eines anderen Mietvertrages drohen (LG Frankenthal WuM 1993, 418).
Hat der Vermieter eine Modernisierung nicht ordnungsgemäß angekündigt, kann insbesondere der gewerbliche Mieter im Wege einer einstweiligen Verfügung verhindern, dass ihn der Vermieter mit den Bauarbeiten überrascht (AG Pankow-Weißensee GE 2007, 989).
Vorkaufsrecht
Hat der Mieter ein Vorkaufsrecht kann er seinen Eigentumsübertragungsanspruch durch die Eintragung einer Vormerkung im Wege der einstweiligen Verfügung sichern (LG Köln NJW-RR 1995, 1354). Er verhindert damit, dass der Eigentümer das Objekt anderweitig verkaufen kann. Eine eventuelle Vormerkung des Käufers käme nur nachrangig zur Vormerkung des Mieters zur Eintragung.
Widerruf der Einzugsermächtigung
In einem Fall, in dem der Vermieter den Widerruf der Einzugsermächtigung für die Miete durch den Mieter nicht beachtete, erließ das Landgericht Berlin auf Antrag des Mieters eine einstweilige Verfügung zur Unterlassung des Einzugs (LG Berlin GE 1996, 805).
Problem der Doppelvermietung
Ansonsten darf der Vermieter entscheiden, welchen Vertrag er erfüllen will (KG Berlin ZMR 2007, 614; OLG Hamburg NJW-RR 2004, 521). Er macht sich gegenüber dem anderen Mieter allerdings gegenüber schadensersatzpflichtig.
Vermietung an einen Konkurrenzbetrieb
Hat sich der Vermieter mietvertraglich zum Konkurrenzschutz verpflichtet, kann der Mieter die vertragswidrige Konkurrenz im Wege der einstweiligen Verfügung abwehren (KG GuT 2005, 54). Durch die vertragliche Konkurrenz wird die Sache nämlich mangelhaft (BGH GuT 2006, 37).
Herausgabe der Mieträume
Der Antrag auf einstweilige Verfügung zwecks Herausgabe von Gewerberaum ist regelmäßig nicht zulässig, wenn der Vermieter die Uneinbringlichkeit von Mietrückständen und das Auflaufen weiterer Mietforderungen befürchten muss (OLG Celle NZM 2001, 194).
Duldungspflicht des Mieters
Umgekehrt kann auch der Mieter Ziel einer einstweiligen Verfügung werden. Will der Vermieter zur Abwendung weiterer Schäden die Wasserrohre austauschen, kann er beantragen, den Mieter im Wege einer einstweiligen Verfügung zu verpflichten, die notwendigen Reparaturmaßnahmen zu dulden (LG Berlin GE 1997, 245).
Betriebspflicht des Mieters
In einem Fall des KG Berlin wurde dem Vermieter eine einstweilige Verfügung zugestanden, in der er den Mieter aufgrund einer mietvertraglich vereinbarten Betriebspflicht verpflichtete, sein Ladenlokal in einem Einkaufszentrum zu bestimmten Zeiten offen zu halten (KG Berlin GE 2011, 1484).
Das Interesse des Vermieters bestehe darin, dass nur so die Attraktivität des gesamten Einkaufszentrums gewahrt werden könne. In diesen Fällen entscheiden die Gerichte meist im Interesse des Vermieters (OLG Frankfurt ZMR 2009, 446; OLG Celle NZM 2007, 838; OLG Düsseldorf NZM 2001, 131).
Vertragswidriges Verhalten des Mieters
Eine einzige Verfügung kommt auch dann in Betracht, wenn sich der Mieter allgemein vertragswidrig verhält. Beispiel: Der Mieter bringt am Schaufenster seines Ladenlokals Werbung an, die beanstandungswürdig ist (sexistische, rassistische, wettbewerbswidrige Aspekte).
15.03.2018 - 13:04
Wie sehen Sie das OLG Urteil Schleswig zur Betreiberverpflichtung, wenn in Mietverträgen eine Umsatzmiete, Sortimentsfestlegung und der Ausschluss von Konkurrenzschutz vereinbart wurde – gibt es hierzu auch einstweilige Verfügungen für Mittelständler in Berlin bei ECE Mietverträgen?