Manch ein Gewerbemieter erlebt ein böses Erwachen. Seine Umsatzerwartungen erweisen sich als nicht realistisch. Zugleich ist er nach dem Mietvertrag verpflichtet, die vereinbarte Miete an den Vermieter zu bezahlen. Vor allem bei längeren Mietverträgen, in denen eine kurzfristige Kündigung nicht zum Zuge kommt, steht dann oft die Insolvenz ins Haus.
Für den Gewerbemieter stellt sich also die Frage, ob er einen laufenden Mietvertrag vorzeitig beenden kann oder ob er trotz der Verluste verpflichtet bleibt, sein Geschäft weiter zu betreiben, für die Kunden offen zu halten und die vereinbarte Miete zu bezahlen.
Wir erklären hier, was Mieter und Vermieter zur Weiterbetreibungspflicht eines Gewerbemieters bei Verlusten wissen und beachten müssen.
Inhalt: Weiterbetreibungspflicht des Mieters bei Verlusten
1. Vertragsklausel: „Weiterbetreibungspflicht“
Vielfach findet sich im Gewerbemietverträgen eine Klausel in etwa folgenden Inhalts: … „Der Mieter erkennt an, dass Umsatzerwartungen sowie Erwartungen an die Attraktivität und den Vermietungsstand sowie die Mieterstruktur im Einkaufszentrum ausschließlich in seinen Risikobereich fallen.“ …
2. Ansatzpunkt: Wegfall der Geschäftsgrundlage
In der Rechtsprechung wird die Problematik unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage des Gewerberaummietvertrages diskutiert (§ 313 BGB). Eine einheitliche Rechtsprechung gibt es nicht. Festzustellen ist jedenfalls, dass sich der Mieter nur in seltenen Fällen auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen kann und grundsätzlich verpflichtet bleibt, das Mietverhältnis fort zu führen.
3. Vertraglich zugewiesenes Verwendungsrisiko
Grundsätzlich trägt im Gewerbemietrecht der Mieter das Verwendungsrisiko der Mietsache (BGH NZM 2006, 56). Zeigt sich, dass die Räumlichkeiten nicht geeignet sind, den Umsatzerwartungen des Mieters gerecht zu werden, bleibt der Mieter in der Verantwortung. Insbesondere ist dies anzunehmen, wenn das Verwendungsrisiko seinen Niederschlag im Mietvertrag gefunden hat.
In einem Fall des OLG Frankfurt (MietRB 2011, 276) wurde dem Mieter mietvertraglich ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt, falls die von ihm betriebene Parfümerie im vierten Geschäftsjahr nicht einen Jahresumsatz von mindestens 600.000 € würde erzielen können. Als sich das Einkaufszentrum nicht erwartungsgemäß entwickelte und der Umsatz ausblieb, kündigte der Vermieter den Mietvertrag wegen Zahlungsverzug des Mieters. Das OLG erachtete die Kündigung für wirksam und verwies darauf, dass das Risiko ausbleibender Umsätze ausdrücklich zum Inhalt und Gegenstand des Mietvertrages geworden sei. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage kam insoweit nicht mehr in Betracht.
4. Änderung der Mieterstruktur und Leerstand in Einkaufszentren
Die Problematik zeigt sich vornehmlich bei Mietern in Einkaufszentren. Oft ändert sich die anfänglich vorhandene Mieterstruktur und/oder es sind Leerstände zu verzeichnen.
Auch hier geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass eine veränderte Mieterstruktur grundsätzlich dem Risikobereich des Mieters zuzuordnen ist (BGH ZMR 2010, 598). Es sei ausschließliches Risiko des Mieters, mit der Mietsache Gewinne zu erzielen. Er müsse als Unternehmer die Erfolgsaussichten seines Unternehmens einschätzen können.
Gleiches hat das OLG Düsseldorf für Leerstände in ein Einkaufszentrum angenommen (OLG Düsseldorf DWW 2006, 23). Leerstände begründen keinen Sachmangel der Mietsache, da die Mietsache in ihrer Gebrauchstauglichkeit nicht unmittelbar beeinträchtigt ist. Vor allem stelle die andauernde Vollvermietung eines Einkaufszentrums keine Eigenschaft der Mietsache dar.
5. Keine Weiterbetreibungspflicht bei gemeinsamem Risiko
Voraussetzung war in diesem Fall aber, dass der Vermieter bei Vertragsabschluss zu erkennen gegeben hatte, dass er die Funktionsfähigkeit dieses Einkaufszentrums auch zu seinem Risiko machte.
Soweit der Mieter in diesem Fall eine Weiterbetreibungspflicht hatte, stand die Übernahme dieser Verpflichtung jedenfalls in einem untrennbaren Zusammenhang mit der bei Vertragsabschluss vorhandenen Vorstellung beider Parteien, dass das Einkaufszentrum entsprechend der Planung gebaut und sich als ein wirtschaftlich lebendiger und die Innenstadt ergänzender Geschäftsmittelpunkt erweisen werde.
b. Ähnlich (wenn auch gegenteilig zu Lasten des Mieters) entschied das OLG Frankfurt (GuT 2010, 205). Auch hier ging es um die Störung der Geschäftsgrundlage, insoweit, als der Vermieter dem Mieter bei Vertragsabschluss Angaben zur Gesamtentwicklung des Umfeldes seiner Mietflächen machte, die sich im Nachhinein als nicht realistisch herausstellten. Sofern diese Angaben nicht ausdrücklich ihren Niederschlag in Mietvertrag finden, kann der Mieter nicht davon ausgehen, dass der Vermieter für seine Angaben einstehen möchte.
Der Vermieter hatte den Mieter informiert, dass sich aus seiner Umfeldanalyse ein Besucherstrom von mindestens 15.000 Besucher am Tag ergebe. Tatsächlich kamen lediglich ca. 3000 Besucher. Als der Mieter die Miete nicht mehr zahlen konnte, kündigte der Vermieter. Das OLG verwies den Mieter darauf, dass die Angaben des Vermieters zur Standort- und Rentabilitätsanalyse keine rechtsverbindliche Zusicherung beinhaltet haben. Vor allem fehle es an einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung, dass sich der Vermieter am Geschäftsrisiko des Mieters beteiligen wolle.
6. Praxishinweise:
a. Wer als Mieter das Verlustrisiko eingrenzen und eine Weiterbetreibungspflicht seines Geschäftslokals vermeiden möchte, muss durch ausdrückliche vertragliche Vereinbarung sicherstellen, dass ein sich veränderndes geschäftliches Umfeld Auswirkungen auf den Bestand des Mietvertrages hat. Insoweit kann sich der Mieter ein Sonderkündigungsrecht oder ein Minderungsrecht in Bezug auf die Höhe der Miete vorbehalten. Die Voraussetzungen sollten möglichst im Detail umschrieben werden.
Meist genügt es, wenn die Angaben in einer Präambel des Mietvertrages aufgeführt werden. Diese Präambel bestimmt dann auch die Interpretation des Mietvertrages. Dabei ist darauf zu achten, dass die bloße Beschreibung von Erwartungen in der Regel keine zugesicherten Eigenschaften begründen und im Zweifel lediglich Erwartungshaltungen wiedergeben.
b. In der Praxis wird oft eine sogenannte Handelsumfeldklausel vereinbart. Darin wird festgehalten, dass der Mieter die Räumlichkeiten nur deshalb anmietet, weil diese sich im Umfeld bestimmter weiterer Mieter befinden oder sonstige bestimmte Umstände für die Anmietung maßgeblich sind.
c. Aus der Sicht des Vermieters betrachtet, ist darauf zu achten, dass er lediglich hinsichtlich des bestehenden Vermietungstandes verbindliche Erklärungen abgibt, zukünftige Bindungen aber vermeidet und seine Verpflichtung auf die Erstvermietung beschränkt.
29.06.2017 - 09:20
Hallo Herr Hundt,
vielleicht können Sie uns weiterhelfen. Eine Freundin hat gewerbliche Räume angemietet auf 5 Jahre.
Sie betreibt ein Beauty Salon mit Ihrer Geschäftspartnerin. So der Mietvertrag läuft nur auf die Freundin. Jetzt haben sich die 2 Parteien zerstritten und die Freundin hat sich ohne Geschäftspartnerin andere Räume angemietet.
Die Geschäftspartnerin hat jetzt Ihren eigenen Salon in den alten Räumen. Meine Freundin kommt aber aus dem Mietvertrag nicht raus und muss noch 2 Jahre weiter zahlen. Zahlt die Geschäftspartnerin die Miete einmal nicht (die Hälfte) so müsste Sie die komplette Miete zahlen. Der Vermieter besteht auf die 5 Jahre. Kann man da was tun, zumal die Geschäftspartnerin die Räume nutzt ” Gebrauchsüberlassung an Dritte” ??? Sie hat monatlich jetzt eine Doppelbelastung dadurch.
Wäre schön, wenn Sie einen Tipp hätten.
Liebe Grüße