Nach dem Gesetz kann der Vermieter ein Mietverhältnis kündigen, wenn er als berechtigtes Interesse Eigenbedarf geltend macht. Neben dem Vermieter selbst kommen als begünstigte Personen auch Familienangehörige in Betracht.
Ob ein Familienangehöriger des Vermieters zu dem begünstigten Personenkreis gehört, richtet sich zum einen nach dem Grad der verwandtschaftlichen Beziehung und zum anderen nach der persönlichen Verbundenheit mit dem Vermieter. Lediglich bei einer besonders nahen verwandtschaftlichen Beziehung (z.B. Eltern – Kind – Ehepartner) wird die dazu notwendige persönliche Verbundenheit unterstellt.
Keine Rolle spielt, ob ein Familienangehöriger des Vermieters bereits im Haushalt des Vermieters lebt, um zum begünstigten Personenkreis zu gehören.
BGH: Eigenbedarf für Neffe und Nichte ohne weiteres begründet
In diesem Sinne forderte noch das LG Wiesbaden (Urteil v. 26. Februar 1991 , Az: 8 S 490/90), dass eine Nichte (gleiches gilt dann auch für einen Neffen), zu deren Gunsten der Vermieter Eigenbedarf geltend macht, in einem sozialen Kontakt zum Vermieter stehen müsse, aus dem sich die sittliche Verantwortung des Vermieters für den Wohnbedarf der Nichte ergebe.
Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof (Urt. v. 27.1.2010, Az.: VIII ZR 159/09, Fundstelle WuM 2010, 163) den Wohnbedarf einer Nichte (gleiches gilt dann auch für einen Neffen) ohne weiteres für eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters ausreichend sein lassen.
Der BGH stellte darauf ab, dass nicht nur Geschwister des Vermieters, sondern auch deren Kinder (Neffen und Nichten) noch so eng mit dem Vermieter verwandt sind, dass es nicht darauf ankommt, ob im Einzelfall eine besondere persönliche Beziehung oder soziale Bindung zum Vermieter besteht. Damit genügt das reine nahe Verwandtschaftsverhältnis zwischen Vermieter und Nichte bzw. Neffe. Gleiches gilt für die Schwiegermutter, für Tanten und Onkel gilt diese Vermutung wiederum nicht.
Kritik: Begünstigung reduziert Mieterschutz
In dieser Konsequenz wären dann auch Schwager und Schwägerin, die gleichermaßen ein solches Zeugnisverweigerungsrecht haben, automatisch bei Eigenbedarf privilegiert, obwohl der entscheidende BGH-Senat zuvor für eine Kündigung zu Gunsten eines Schwagers noch einen „besonders engen Kontakt“ zum Vermieter gefordert habe. Damit führten die Aufweichung der Anforderungen an eine Eigenbedarfskündigung im Hinblick auf Nichten und Neffen zu einer unangemessenen Einschränkung des Mieterschutzes (so Wiek WuM 2010, 119). Andererseits spricht für den BGH, dass Neffen und Nichten noch Blutsverwandte des Vermieters sind, während Schwager und Schwägerin nur angeheiratet haben.
Wie dem auch sei: Solange die BGH-Entscheidung nicht durch eine gegenteilige Entscheidung revidiert wird, kann sich der Vermieter auch dann auf eine Eigenbedarfskündigung zu Gunsten von Nichten und Neffen berufen, wenn bislang kein unmittelbarer sozialer Kontakt bestanden hat.
Weitere Anforderungen an die Eigenbedarfskündigung
Selbstverständlich muss der Vermieter im Übrigen die weiteren Voraussetzungen der Eigenbedarfskündigung erfüllen: Dazu gehören der Nutzungswille (Absicht die Wohnung der Nichte oder dem Neffen tatsächlich zur Verfügung zu stellen, keine Vortäuschung falscher Gegebenheiten) und ein vernünftiges und nachvollziehbares Nutzungsinteresse (z.B. angemessener Wohnbedarf, keine 150 m²-Wohnung für 20-jährigen Neffen).
Insbesondere darf die Eigenbedarfskündigung nicht rechtsmissbräuchlich, nicht treuwidrig und nicht vernunftwidrig sein. Weitere Stichworte: Schriftform der Kündigung, Kündigung bei mehreren Mietern, Inhalt der Eigenbedarfskündigung, Kündigungsfrist, Widerspruchsrecht des Mieters, Sonderkündigungsrecht beim Zweifamilienhaus.
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