Die Wiedervereinigung ist bereits zweieinhalb Jahrzehnte her und so manch ein Mieter wird sich an die Zeit des geteilten Deutschlands nicht erinnern können oder diese gar nicht erlebt haben.
Die ganz überwiegende Zahl aller derzeit bestehenden Mietverträge stammt daher zwar aus der Zeit nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland. Es gibt aber auch die nicht zu vernachlässigenden Ausnahmen, die aus der Zeit davor stammen und auf dem Gebiet der ehemaligen DDR geschlossen wurden. Diesen widmet sich dieser Beitrag unter dem Blickwinkel der Kündigungsmöglichkeit des Vermieters wegen Eigenbedarfs.
BGB und ZGB – Die unterschiedlichen Regelungen
Schon die Beantwortung der Frage, ob eine Eigenbedarfskündigung die gesetzlichen und teilweise auch durch Richterrecht geschaffenen Voraussetzungen erfüllt, und damit wirksam ist oder nicht, ist für den Vermieter nicht einfach. Für den Vermieter, der den Mietvertrag vor der Wiedervereinigung auf dem Gebiet der ehemaligen DDR abgeschlossen hat, stellt sich jedoch zunächst eine viel grundsätzlichere Frage, nämlich die, ob eine Eigenbedarfskündigung überhaupt– unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen im konkreten Fall- möglich ist.
Diese Frage stellt sich deshalb, weil nur das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), nicht hingegen das auf dem Gebiet der ehemaligen DDR geltende Zivilgesetzbuch vom 19. Juni 1975 (ZGB) die Kündigung wegen Eigenbedarfs vorsieht. Das BGB kennt die in § 573 Abs.2 Nr.2 BGB verankerte Eigenbedarfskündigung als besonderen Fall der ordentlichen Kündigung, bei der das von § 573 Abs. 1 BGB geforderte berechtigte Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses darin besteht, dass der Vermieter die Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.
Der Vermieter kann das Mietverhältnis daher einseitig durch den Ausspruch der Kündigung beenden, wenn die von § 573 Abs.2 Nr.2 BGB verlangten Voraussetzungen vorliegen. Es bedarf weder der Zustimmung des Mieters noch einer gerichtlichen Entscheidung.
In § 542 Abs.1 BGB heißt es dementsprechend auch, dass jede Vertragspartei das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften kündigen kann, wenn die Mietzeit nicht bestimmt ist.
Ganz anders sah es das ZGB vor. Dieses ermöglichte die Beendigung des Mietverhältnisses gegen den Willen des Mieters nur durch gerichtliche Entscheidung in ganz bestimmten gesetzlich geregelten Fällen.
In § 120 Abs.1 ZGB hieß es diesbezüglich:
„Jeder Mieter hat das Recht auf Kündigungsschutz. Gegen seinen Willen kann das Mietverhältnis nur durch das Gericht auf Verlangen des Vermieters in den in diesem Gesetz geregelten Fällen aufgehoben werden.“
In welchen Fällen eine Aufhebung möglich war, regelten die §§ 121, 122 ZGB.
Neben der Möglichkeit einer Aufhebung wegen einer Pflichtverletzung des Mieters, die in § 121 ZGB geregelt war und in etwa § 573 Abs.2 Nr.1 BGB entspricht, sah auch das ZGB in § 122 den Eigenbedarf des Vermieters als Grund für die Möglichkeit einer Beendigung des Mietverhältnisses an. Der entscheidende Unterschied zu § 573 Abs.2 Nr.2 BGB besteht allerdings darin, dass der Vermieter durch Erhebung einer Klage eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen musste und das Gericht außerdem bei seiner Entscheidung die berechtigten Interessen beider Parteien gegeneinander abgewogen hat (vgl. § 122 Abs.1 S.2 ZGB). Eine solche Interessenabwägung findet unter der Geltung des BGB bei der Überprüfung der Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung nicht statt, sondern erfolgt erst dann, wenn der Mieter gegen die wirksame Eigenbedarfskündigung gem. § 574 BGB Widerspruch einlegt.
Welches Recht ist anwendbar?
Eine Antwort auf diese Frage findet man in Art. 232 § 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB). Danach richten sich Mietverhältnisse auf Grund von Verträgen, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik geschlossen worden sind, von diesem Zeitpunkt an nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Auch wenn sich dies aus Art.232 § 2 EGBGB nicht ergibt, besteht jedoch weitgehend Einigkeit darüber, dass vertragliche Vereinbarungen der Parteien aus einem vor dem 03.10.1990 im Beitrittsgebiet abgeschlossenen Mietvertrag wirksam bleiben, soweit zwingendes Recht nicht entgegensteht (vgl. Rolfs, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Art. 232 § 2 EGBGB, Rn.5).
Nicht wenige Mietverträge, die unter der Geltung des ZGB geschlossen wurden, enthielten zwar keine inhaltlich von den §§ 120 ff. ZGB abweichenden Regelungen, gaben aber im Vertragstext wieder, was dort, insbesondere in § 120 ZGB, geschrieben steht.
Verbreitet war z.B. folgende Regelung:
„1. Das Mietverhältnis endet
- durch Kündigung des Mieters,
- durch Vereinbarung der Vertragspartner oder
- durch gerichtliche Entscheidung.
2. Für die Kündigung des Mietverhältnisses gilt eine Frist von 2 Wochen. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen.“
Während die Beantwortung dieser nicht unumstrittenen Frage für das Kündigungsrecht des Mieters, insbesondere für die Länge der Kündigungsfristen, die das BGB in § 573c Abs.1 S.1 (Dreimonatsfrist) abweichend von § 120 Abs.2 S.1 ZGB (Zweiwochenfrist) regelt, relevant ist, bedarf es keiner Klärung dieses Problems, solange es darum geht, ob und auf welche Weise der Vermieter das Mietverhältnis beenden kann, wenn er die Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.
Denn selbst wenn man die Ansicht vertritt, dass es sich auch dann, wenn der Mietvertrag die gesetzliche Regelung des ZGB zur Kündigung lediglich wörtlich oder sinngemäß wiedergibt, um eine vertragliche Vereinbarung mit eigenem Regelungsgehalt handelt und nicht bloß ein (überflüssiger) deklaratorischer Hinweis insbesondere auf die Regelung der damals geltenden §§ 120 Abs.1 S.2, 121, 122 ZGB vorliegt, käme eine Fortgeltung der vertraglichen Vereinbarung insoweit nicht in Betracht, weil das BGB nur die Kündigung als Mittel zur Beendigung des Mietverhältnisses gegen den Willen des Mieters kennt. Da die Vorschriften über die gerichtliche Aufhebung des Mietverhältnisses auf Antrag des Vermieters seit dem 03.10.1990 außer Kraft sind und durch die Kündigungsvorschriften des BGB ersetzt wurden, kann der Vermieter das Mietverhältnis kündigen, und zwar auch dann, wenn der Mietvertrag die gerichtliche Aufhebung als einzige einseitige Beendigungsmöglichkeit für den Vermieter vorsah (vgl. hierzu Wendland, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Art. 232, § 2 Rn.16).
Auch die Länge der für den Vermieter geltenden Kündigungsfrist ergibt sich in jedem Fall aus § 573c Abs.1 BGB und beträgt daher- sofern kein Mietverhältnis i. S. d. § 549 Abs.2 Nr.2 BGB vorliegt- je nach der Dauer des Mietverhältnisses drei, sechs oder neun Monate.
Dies folgt bereits daraus, dass eine für den Vermieter geltende Kündigungsfrist weder im ZGB vorgesehen war noch es unter der Geltung des ZGB Anlass gab, diese vertraglich festzulegen, da die Möglichkeit einer Kündigung durch den Vermieter unter der Geltung des ZGB gar nicht bestand.
Fazit
Hat der Vermieter vor dem Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland im Beitrittsgebiet unter der Geltung des ZGB einen Mietvertrag über Wohnraum abgeschlossen, kann er das Mietverhältnis unter den Voraussetzungen des § 573 Abs.2 Nr.2 BGB durch eine Eigenbedarfskündigung einseitig gegen den Willen des Mieters und ohne gerichtliche Hilfe beenden. Des gilt auch dann, wenn der Mietvertrag die Beendigung des Mietverhältnisses gegen den Willen des Mieters nur durch gerichtliche Aufhebung vorsieht.
13.04.2019 - 08:53
ich habe seit 1980 ein DDR-Mietvertrag. Wenn ich diesen kündigen möchte, gilt da noch die 14-tägige Kündigungsfrist?
15.04.2019 - 18:11
Hallo Renate,
ja, in der Regel können Sie mit der 14 tägigen Frist kündigen.
Viele Grüße
Dennis Hundt
31.10.2019 - 12:05
Ich kaufe demnächst ein Haus, in dem eine ältere Dame mit DDR-Mietvertrag seit 1980 wohnt.
Ich will ihr wegen Eigenbedarf kündigen, weil ich das Haus umfassend sanieren muss (nur Ofenheizung in einem Raum und veraltete Stromleitungen), wir möchten zu dritt dort einziehen, da wir derzeit in einer zu kleinen Mietwohnung leben.
Besteht hier die 9-monatige Kündigungsfrist oder sind es nur 2 Wochen?
Sie hat auch einen erwachsenen Sohn bei sich wohnen, der psychisch krank ist und sich weigert, baldmöglichst auszuziehen, er steht nicht mit im Mietvertrag. Muss ich ihn wegen ihm klagen oder spielt er hier keine Rolle?
Danke, für effektive Antworten!
01.11.2019 - 13:43
Hallo Sabine,
der Mieter kann im Mietvertrag nicht schlechter gestellt werden als nach dem BGB. Richten Sie sich auf neun Monate nach Grundbucheintragung und Kündigung ein.
Viele Grüße
Dennis Hundt