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Gewerbemietrecht: AGB in Gewerbemietverträgen

Es geht um das „Kleingedruckte“. Meist sind es die AGB, also die allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Vertrages. Auch in Gewerbemietverträgen werden vielfach AGB verwendet. Sie sind eigentlich der Regelfall. Und genau darin liegt das Problem.

AGB berücksichtigen die Interessen von Vermietern und Mietern selten gleichermaßen. Sie verbessern regelmäßig nur die  rechtliche Position des Verwenders zu Lasten des Vertragspartners und zwar dadurch, dass sie die ausgewogene gesetzliche Regelung einseitig verändern. Diesem Umstand trägt das Gesetz Rechnung, indem es AGB als Formularklauseln nur dann für rechtlich wirksam erachtet, wenn sie einer Überprüfung anhand des AGB-Gesetzes standhalten.

Das frühere AGB-Gesetz wurde 2002 als §§ 305 – 310 in das BGB eingefügt. Seine Regelungen sollen den Vertragspartner vor der wirtschaftlichen und oft auch professionellen Überlegenheit des Verwenders allgemeiner Geschäftsbedingungen schützen (BGH Urt.v.12.7.2006, XII ZR 39/04: hier wurde der Mieter in einem Einkaufszentrum durch eine AGB-Klausel zum Beitritt in eine Werbegemeinschaft verpflichtet).

Zwar ist das AGB-Recht vorrangig nur gegenüber Verbrauchern anwendbar (§ 310 BGB). Über den Umweg der Generalklausel des § 307 BGB kommen die Wertungsinhalte der Klauselverbote der §§ 308 und 309 BGB aber auch im Gewerbemietrecht, wenn auch in reduziertem Maße, zur Anwendung.

AGB-Verwender kann auch der Mieter sein

Das AGB-Recht schützt Vermieter und Mieter gleichermaßen. Es kommt immer darauf an, wer Verwender der AGB ist. Dies kann neben dem Vermieter auch der Gewerbemieter sein. Vor allem marktführende Unternehmen in Industrie, Handel, Banken und Versicherungen sind einem Vermieter regelmäßig wirtschaftlich und fachlich mit ihrer Rechtsabteilung überlegen und somit in der Lage, ihre Interessen gegenüber einem Vermieter durchzusetzen und mieterfreundliche Vertragsbedingungen zu diktieren. Aus dieser Situation haben sich vielfach branchenübliche Standardmietverträge entwickelt.

Was sind eigentlich AGB?

AGB-Recht ist pure Juristerei. Deshalb kommt es darauf an, das System zu verstehen.

1. Vorab ist zu klären, was AGB überhaupt sind.

Es genügt nicht, den Text kleingedruckt wiederzugeben. AGB sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen (Formularklauseln). Dies können auch Musterverträge sein (BGH NJW 1974, 1135). Auf den Umfang der Regelung kommt es nicht an. Auch eine einzeln vorformulierte Vertragsklausel kann eine AGB  darstellen.

Für eine „Vielzahl von Verträgen vorformuliert“ ist eine Klausel dann, wenn der Verwender ihre dreimalige Verwendung beabsichtigt hat. Vor allem genügt bereits bei der erstmaligen Verwendung die Absicht, die vorformulierte Klausel mehrfach zu verwenden (BGH NJW 2002, 138).

AGB sind auch dann vorformuliert, wenn ein Dritter diese zur vielfachen Verwendung bereitstellt (Mustermietverträge eines Eigentümer-, Vermieter- oder Mieterverbandes). Bei Vertragsschluss genügt es, wenn der Verwender diesen Text einmalig anwendet, da ein solcher Mustervertrag vom Grundsatz her für eine unbestimmte Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist (BGH ZMR 2010, 519).

Die Anerkennung von Absprachen als AGB erfordert keine schriftliche Aufzeichnung. Es genügt ein „Speichern im Kopf des Verwenders“. (BGH NJW 2001, 2635).

Vorformulierte Vertragsklauseln sind nur AGB, wenn sie der Verwender der anderen Vertragspartei „stellt“. Im Gegensatz dazu werden individuelle Klauseln ausgehandelt. Deshalb ist es gerade bei langwierigen Vertragsverhandlungen über gewerbliche Mietverträge schwierig, AGB gegenüber Individualvereinbarungen abzugrenzen, da meistens beide Seiten Vorschläge und Gegenvorschläge unterbreiten, aus denen sich dann letztlich der Mietvertrag erhebt.

2. Nur der Verwender steht im Blickfeld der Kritik

Die Rechtsprechung stellt darauf ab, wer eine Formularklausel oder ein Vertragsmuster in die Vertragsverhandlungen eingeführt hat oder vorgeschlagen hat. Es kommt nicht darauf an, wer die Klausel formuliert hat oder wer die Formulierung in Auftrag gegeben hat (Anwalt, Notar, Steuerberater) (BGHZ 130, 57). Derjenige, der die AGB gestellt hat, ist Verwender.

Die Feststellung, wer Verwender der AGB ist, ist ganz entscheidend für die Frage, wer sich auf den Schutz des AGB Recht berufen kann. Die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB wirkt nämlich nur zu Gunsten des Vertragspartners des Verwenders.

Der Verwender selbst kann sich nicht auf die eventuelle Nichtigkeit einer AGB-Klausel berufen. Hat also beispielsweise der Mieter selbst einen Mustervertrag vorgelegt, den der Vermieter akzeptiert hat, kann er sich nicht auf den Schutz des Gesetzes berufen, wenn er sich als Mieter irgendwie unangemessen benachteiligt fühlt. Im Streitfall muss derjenige die AGB-Eigenschaft darlegen und beweisen, der sich auf den Gesetzesschutz beruft.

3. Verhandlungsklausel ist nutzlos

Der  Schutz des Gesetzes kann auch nicht dadurch ausgehebelt werden, dass eine Vertragspartei ausdrücklich im Rahmen einer „Verhandlungsklausel“ bestätigt, dass sie angeblich einen Vertrag ausgehandelt habe.

Klauselbeispiel: …“Der Mieter bestätigt hiermit, dass er vor Vertragsabschluss Gelegenheit hatte, den getätigten Mietvertrag zu lesen, den Text zu prüfen und erklärt sich vorbehaltslos mit allen Bestimmungen des Vertrages einverstanden.“ … Eine solche Erklärung ist bedeutungslos (OLG Hamm RE WM 1981, 77).

Insbesondere genügt auch ein bloßes Erläutern oder Erörtern einer vorgegebenen Klausel nicht (BGH NJW 1992, 2759). Ebenso wenig genügt es, sich zwischen zwei als unabänderlich dargestellten Varianten entscheiden zu müssen (BGH WuM 1986, 53) oder durch Ankreuzen zwischen verschiedenen formularmäßigen Ausgestaltungen zu wählen (BGH NJW-RR 1997, 1000) oder die Erklärung des Verwenders, zur Änderung einer Klausel bereit zu sein (BGH NJW-RR 2005, 1040). Auch Einfügungen oder  Streichungen von Wörtern in einem Formularvertrag genügt nicht, das Merkmal des Aushandels zu erfüllen (LG Hamburg WuM 1985, 21).

  • Um den Beweisanforderungen im Streitfall nachzukommen, sind die Parteien gut beraten, die zum Abschluss des Mietvertrages führende Korrespondenz aufzubewahren und eine Protokollnotiz über den Verlauf der Vertragsverhandlungen zu dokumentieren. Nur so lässt sich nachweisen, wie eine Vereinbarung im Mietvertrag zu Stande gekommen ist.

4. AGB contra Individualvereinbarung

Das Gegenstück zu einer vorformulierten AGB-Klausel ist die individuelle Vereinbarung. Individuelle Vereinbarungen unterliegen nicht der Inhaltskontrolle des Gesetzes. Individuell können die Partei weitgehend vereinbaren, was sie wollen. Dann geht das Gesetz davon aus, dass sich jede Partei des Risikos bewusst ist.

Von einer Individualvereinbarung ist auszugehen, wenn eine Vertragsklausel oder ein Vertragstext nicht vorher schon verwendet wurde und bei Vertragsabschluss auch nicht beabsichtigt war, sie häufiger zu verwenden. So kann die erstmalige Verwendung bereits ausreichen, soweit weitere Verwendungen beabsichtigt sind.

Im Gewerberaummietrecht kommt es darauf an, ob der Verwender den vorgeschlagenen Vertragsinhalt inhaltlich ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Vertragspartner Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung tatsächlich eingeräumt hat (BGH ZMR 2009, 672).

Im Fall des BGH ging es um die Endrenovierung. Der Mietvertrag beinhaltete eine Regelung, die die Qualität des Teppichbodens zum Gegenstand hatte. Es war vereinbart, dass der Vermieter sich nicht um den Teppichboden kümmern musste, der Mieter bei Auszug den Teppich auch nicht durch einen Neuen ersetzen musste. Da diese Klausel ausdrücklich auf Wunsch des Mieters eingefügt wurde, war sie eine Individualklausel. Damit war es dem Mieter verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Klausel zu berufen und vom Vermieter Ersatz für die Unterhaltung des Teppichbodens während der Mietzeit zu fordern.

5. Einbeziehungsvereinbarung

Als weitere Voraussetzung, damit AGB Vertragsinhalt werden, wird eine Einbeziehungsvereinbarung gefordert. Bei Gewerberaummietverträgen genügt eine rechtsgeschäftliche Einbeziehungsvereinbarung, ohne dass darauf ankommt, dass dem Vertragspartner die Kenntnisnahme der AGB bei Vertragsabschluss ermöglicht wurde. Soweit die AGB in der Vertragsurkunde selbst enthalten sind, erübrigt sich ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass der Formularmietvertrag AGB enthält (BGH NJW 1995, 190).

Sind die AGB dem Formularmietvertrag nicht beigefügt, muss der Verwender auf diese zumindest Bezug nehmen und dem Vertragspartner die Möglichkeit bieten, sich in zumutbarer Weise vom Inhalt dieser AGB Kenntnis zu verschaffen. Der Verwender ist nicht verpflichtet, die AGB auszuhändigen. Es genügt die Klausel: …“ Für diesen Mietvertrag gelten die AGB des Vermieters.“ … (BGH NJW-RR 1989, 1104).

Details zu den AGB in Gewerbemietverträgen

Unklarheitenregel

Bestehen bei der Interpretation von AGB Zweifel, gehen diese zu Lasten des Verwenders (§ 305 c II BGB). Voraussetzung ist, dass mindestens zwei vertretbare Auslegungen der Klausel begründet sind. Das Gesetz legt dem Verwender von AGB die Last auf, sich klar und unmissverständlich auszudrücken. Tut er dies nicht, bewusst oder unbewusst, gehen Zweifel zu seinen Lasten, mit der Konsequenz, dass in der Regel die gesetzliche Regelung zur Anwendung kommt.

Überraschende Klauseln sind unwirksam

Ein Vertragspartner wird durch eine Klausel überrascht, wenn diese nach den Umständen und dem Vertragsgegenstand so ungewöhnlich ist, dass er nicht mit ihr zu rechnen brauchte. Ein solcher Überraschungseffekt besteht, wenn sich eine Vertragsklausel an einer Stelle befindet, an der sie der Vertragspartner nicht erwarten musste (BGH NJW 2002, 3232).

Im BGH-Fall ging es darum, dass die Klausel zum Ausschluss der Garantiehaftung des Vermieters für anfängliche Mängel im direkten optischen Zusammenhang mit einer Vereinbarung zur Aufrechnung und Zurückbehaltung formuliert war. Da zwischen beiden Inhalten kein sachlicher Zusammenhang bestand, brauchte der Vertragspartner mit dieser Klausel an dieser Stelle nicht zu rechnen.

Die Konsequenz besteht darin, dass bei der Formulierung eines Gewerberaummietvertrages die einzelnen Bestimmungen systematisch im sachlichen Zusammenhang aufgeführt werden. Die Rechtsprechung betrachtet diese Vorgabe unter dem Stichwort der „Redaktionstransparenz“ (BGHZ 84, 113).

Unangemessene Klauseln sind unwirksam

Die meisten Klauseln verändern die gesetzlichen Vorgaben des Mietrechts zu Lasten der anderen Partei. Wird diese Partei unangemessen benachteiligt, ist die Klausel unwirksam.

Eine solche unangemessene Benachteiligung kann sich aus dem Transparenzgebot ergeben (BGH MDR 2011, 1091).  Das Transparenzgebot gebietet, dass der Vertragspartner eines Mietvertrages wirtschaftliche Nachteile und Belastungen aus der Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners erkennen kann. (BGH NZM 2007, 517).

Ansonsten versteht das Gesetz (§ 307 II BGB) unter einer unangemessenen Benachteiligung eine Klausel,

  • die mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie inhaltlich abweicht, nicht zu vereinbaren ist oder
  • wesentliche Rechte oder Pflichten so eingeschränkt werden, dass das Ziel des Vertrags gefährdet wird.

Beispiele:

  • Eine „Mietanpassungsklausel“ benachteiligt den Mieter unangemessen, wenn einseitig ein Preisanstieg eine Erhöhung der Miete begründet, nicht aber umgekehrt ein Preisrückgang eine entsprechende Ermäßigung der Miete oder nur einer Vertragspartei das Recht zugestanden wird, eine Anpassung der Miete zu verlangen.
  • Eine „Abkopplungsklausel“ benachteiligt den Mieter unangemessen, wenn ihm verboten wird, während des Mietverhältnisses die Miete zu mindern und ihm zugleich verboten wird, die vorläufig weiter zu zahlende Miete später nach Bereicherungsrecht zurückzufordern (BGH NZM 2008, 522).
  • Werden dem Mieter zusätzlich zu den Kosten der Verwaltung nicht näher bezeichnete Kosten des Center-Management für ein Einkaufszentrum auferlegt, wird dieser unangemessen benachteiligt (BGH MDR 2011, 1090).

Rechtliche Konsequenzen unwirksamer AGB

Das Risiko unwirksamer AGB ist weitreichend. Der Verwender trägt die Konsequenzen. Ist eine AGB-Klausel unwirksam, bleibt zwar der Vertrag im Übrigen wirksam. Entstehende Lücken werden jedoch durch Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen geschlossen (§ 306 BGB). Da das Gesetz eher mieterfreundlich ausgestaltet ist, kann der Vermieter als Verwender von AGB mit Nachteilen belastet werden.

Vor allem ist die gesamte Klausel unwirksam. Es ist nicht möglich, die Klausel auf ihren eventuell noch wirksamen Regelungsinhalt zu reduzieren und lediglich den unwirksamen Teil zu eliminieren („Verbot der geltungserhaltenden Reduktion“).

Ausnahme: „Blue-Pencil-Test“: Erweist sich eine AGB-Klausel aus sich heraus verständlich und lässt sie sich in einen zulässigen und unzulässigen Teil aufteilen, kann der restliche Inhalt aufrechterhalten bleiben (Blue-Pencil-Test; BGH NJW 2006, 270; KG Berlin GE 2010, 202).

Dieser Ausweg ist aber eher der Ausnahmefall. In der Entscheidung des KG Berlin ging es um die Betriebspflicht eines Gewerbemieters, dem es verboten war, sein Geschäft zeitweise, beispielsweise aus Anlass von Mittagspausen, Betriebsferien, Inventuren oder Ruhetagen zu schließen. Da die Klausel im Übrigen sprachlich und inhaltlich verständlich formuliert war, wurde der übrige Teil der Klausel zur Betriebspflicht aufrechterhalten.

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