Wer seine Angelegenheiten friedlich regeln will, ist auf das Wohlwollen des Anderen angewiesen. Ist ein Mietverhältnis formal beendet, sollte der Mieter idealerweise ohne viel Federlesen die Mieträume räumen und die Räumlichkeiten dem Vermieter leer und besenrein übergeben. Die Praxis sieht oft anders aus.
Inhalt: Räumungsverfügung im Gewerbemietrecht
2. Einvernehmliche Regelung vermeidet Konfrontation
3. Zwangsvollstreckung erfordert Räumungstitel
3.2. Einstweilige Verfügung auf Räumung
a. § 940a ZPO erfasst nur Wohnräume
b. § 940 ZPO betrifft auch Gewerberäume
c. Voraussetzungen: Kündigung + Nachteile + Dringlichkeit
d. Rechtsprechung ist uneinheitlich
1. Selbstjustiz ist verboten
Ist der Mieter zum Auszug verpflichtet, sollte der Vermieter keinesfalls Selbstjustiz üben, etwa die Schlösser zu den Räumlichkeiten austauschen oder den Mieter mittels körperlicher Gewalt vor die Tür setzen. Er setzt sich mindestens dem Risiko des Hausfriedensbruchs und der Nötigung aus.
2. Einvernehmliche Regelung vermeidet Konfrontation
A: Besser ist es, vorab einen Aufhebungsvertrag zu verhandeln und die Angelegenheit einvernehmlich zu regeln.
B: Alternativ könnte der Mieter auch gegenüber einem deutschen Notar erklären, dass er das Objekt zu bestimmten Zeitpunkt räumen werde und sich sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft. Mit der Urkunde bekommt der Vermieter auf einfache und schnelle Weise einen vollstreckbaren Titel in die Hand und kann dann, wenn der Mieter nicht fristgerecht räumt, die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel betreiben. Einer Räumungsklage bedarf es dann nicht.
C: Eine weitere Möglichkeit besteht in einer „kalten Räumung“, indem der Vermieter schlicht die Energiebelieferung einstellt und den Mieter damit durch mehr oder weniger sanften Druck veranlasst, die Räume zu verlassen.
Ansonsten muss er den gerichtlichen Weg beschreiten. Dabei hat er zwei Möglichkeiten: Räumungsklage und/oder einstweilige Verfügung.
3. Zwangsvollstreckung erfordert Räumungstitel
3.1. Räumungsklage
Hinzu kommt das Kostenrisiko. Das Gesetz bestimmt den 25-fachen Jahreszins als Höchstbetrag für die Streitwertberechnung. Danach richten sich die Gebühren des Gerichts und des eigenen Anwalts. Selbst wenn der Vermieter das Gerichtsverfahren gewinnt, riskiert er, auf den Kosten sitzen zu bleiben, wenn der Mieter insolvent oder unauffindbar ist.
3.2. Einstweilige Verfügung auf Räumung
a. § 940a ZPO erfasst nur Wohnräume
Als zweckmäßige Alternative zur Räumungsklage kommt eine einstweilige Verfügung in Betracht. Nach § 940a ZPO kann Wohnraum durch einstweilige Verfügung geräumt werden, wenn der Mieter verbotene Eigenmacht begeht (widerrechtlicher Besitz nach Kündigung, Hausbesetzung) und dadurch dem Vermieter wesentliche Nachteile drohen. Allerdings gilt die Vorschrift nur für Wohnungen (OLG Celle ZMR 2000, 752). Vornehmlich dient die Vorschrift dem Schutz des Wohnraummieters.
b. § 940 ZPO betrifft auch Gewerberäume
Für den Antrag auf einstweilige Verfügung bei Gewerberäumen genügt bereits die Vorschrift des § 940 ZPO. Danach sind einstweilige Verfügungen zulässig, wenn sie zur einstweiligen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses beantragt werden und dadurch wesentliche Nachteile oder drohende Gewalt abgewendet wird.
c. Voraussetzungen: Kündigung + Nachteile + Dringlichkeit
Voraussetzung ist also, dass das Gewerbemietverhältnis wirksam gekündigt wurde. Bestehen Zweifel, ist der Antrag bereits unschlüssig. Allerdings genügt allein die wirksame Kündigung auch noch nicht. Zusätzlich muss eine Regelung zur
- Abwendung wesentlicher Nachteile oder
- zur Verhinderung drohender Gewalt oder
- wegen vergleichbarer anderer Gründe
dringend notwendig erscheinen.
Die Rechtsprechung stellt relativ hohe Anforderungen. Dies begründet sich daraus, dass eine einstweilige Verfügung eine Situation mehr oder weniger abschließend regelt und dadurch die „Hauptsache vorwegnimmt“. Einstweilige Verfügungen sollen nur eine vorläufige Regelung treffen. Die endgültige Entscheidung bleibt immer einem ordentlichen Gerichtsverfahren vorbehalten.
Bei Gewerberäumen könnte sich der Vermieter also darauf berufen, dass durch die Weiterbenutzung der Räumlichkeiten durch den Mieter ein außerordentlich hoher, über das übliche Maß hinausgehender Verschleiß eintreten würde oder der Mieter die Räumlichkeiten fortlaufend beschädigt oder dem Vermieter die Möglichkeit genommen wird, die Mieträume infolge eines bereits abgeschlossenen nachfolgenden Mietvertrages dem neuen Mieter umgehend zur Verfügung zu stellen und ihm dadurch ein hoher Schadensersatzanspruch droht.
d. Rechtsprechung ist uneinheitlich
Allein der Umstand, dass der Mieter die Räumlichkeiten weiterhin ohne Zahlung einer Nutzungsentschädigung nutzt, der Vermieter mangels Mieteinnahmen den Kapitaldienst gegenüber der finanzierenden Bank nicht erfüllen kann und/oder er die Mietsache infolge des Verkaufs der Immobilie dem Käufer nicht übergehen kann, begründe keinen ausreichenden Anlass für den Erlass einer einstweiligen Verfügung.
Eine solche diene nicht dem Vermögensschutz, sondern schütze nur ein Individualrecht, das durch die Verweigerung der Herausgabe der Mietsache alleine nicht gefährdet sei. Mit der einstweiligen Verfügung würden vollendete Tatsachen geschaffen. Das OLG Rostock (OLGR 2001, 560) hatte in einem ähnlichen Fall dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hingegen stattgegeben.
e. § 940a II ZPO erfasst keine Gewerbemietverhältnisse
Als weitere Rechtsgrundlage kommt die durch die Mietrechtsreform vom 1.5.2013 neu gefasste Vorschrift des § 940a II ZPO in Betracht. Danach ist die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung auch gegen einen Dritten möglich, wenn der Vermieter einen Räumungstitel gegen den Mieter hat und dann feststellen muss, dass sich in der Wohnung ein unbekannter Dritter (Untermieter, Lebensgefährte) aufhällt. In diesen Fällen hatte der Vermieter von Wohnraum früher das Problem, dass der Räumungstitel gegen den Mieter gerichtet war und er gegen den in der Wohnung befindlichen Dritten nicht zwangsvollstrecken konnte. Er bedurfte eines zusätzlichen Räumungstitels. Diesen Nachteil hat der Gesetzgeber aufgegriffen und neu geregelt.
Allerdings gilt diese Vorschrift des § 940a II ZPO gerade nicht bei der Gewerbemiete. Grund ist, dass sich die Vorschrift ausdrücklich nur auf Wohnraummietverhältnisse bezieht und unter der amtlichen Überschrift „Räumung von Wohnraum“ angegliedert wurde. Somit kommt der Erlass einer Räumungsverfügung gegen den Mieter von Gewerberäumlichkeiten nicht infrage (KG Berlin Beschluss v. 5.9.2013, 8 W 64/13; LG Köln Beschluss v. 12.6.2013, 1 T 147/13).
4. Fazit
b. Fruchtet dieser Weg nicht, kann in Einzelfällen durchaus eine kalte Räumung in Betracht gezogen werden, insbesondere dann, wenn der Mieter keinerlei Nutzungsentschädigung zahlt und der Vermieter wegen der Nebenkosten und vor allem wegen des Energieverbrauchs des Mieters auch noch selbst in Vorlage treten muss.
c. Sollte sich keine Regelung abzeichnen, bleibt dem Vermieter kein anderer Weg, als möglichst frühzeitig ein gerichtliches Räumungsverfahren einzuleiten. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kommt nur in engen Ausnahmefällen in Betracht.
20.03.2018 - 13:58
Mich interessiert der § 940 a Abs. 2 ZPO, wie kann es sein das ein Landgericht dann in einer Gewerbemietrechtsangelegenheit, sich genau auf diesen § bezieht? In dem es schreibt, das
Gericht geht mit Beschluss des OLG München vom 12.12.2017, Az: 32 W 1939/17, davon aus, das der Rechtsgedanke des § 940 a Abx. 2 ZPO auf Gewerberäume zu übertragen ist.