In der ganz überwiegenden Zahl aller Wohnraummietverträge wird vereinbart, dass der Mieter eine monatliche Nebenkostenvorauszahlung zu leisten hat. Da die Höhe der künftigen umlegbaren Nebenkosten nicht immer genau vorhersehbar ist, ergibt sich aus der vom Vermieter jährlich zu erstellenden Nebenkostenabrechnung nicht selten ein Nachzahlungsanspruch des Vermieters. Hierzu kommt es dann, wenn die tatsächlich anfallenden umlegbaren Nebenkosten die Vorauszahlungen des Mieters übersteigen. Der Nachzahlungsanspruch des Vermieters wird grds. mit dem Zugang der Nebenkostenabrechnung beim Mieter fällig, sofern sie formell wirksam ist. Da der Mieter jedoch gem. § 556 Abs.3 S.5 und 6 BGB berechtigt ist, binnen zwölf Monaten nach dem Zugang der Abrechnung inhaltliche Einwendungen zu erheben und er von diesem Recht oft allein an Hand der zugesandten Abrechnung keinen Gebrauch machen kann, hat der Mieter einen Anspruch auf Einsicht in die Belege, die der Vermieter der Abrechnung zu Grunde gelegt hat (vgl. § 259 BGB). Solange der Vermieter dem Mieter die Einsicht in die Abrechnungsunterlagen nicht ermöglicht, steht dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht zu, durch dessen Geltendmachung die Fälligkeit des Nachzahlungsanspruches entfällt. Auch wenn die abstrakte Rechtslage insoweit zunächst einfach erscheint, können sich bei deren Anwendung im konkreten Fall Probleme insbesondere dann ergeben, wenn der Vermieter die Einsicht in die Belege zwar nicht grds. verweigert, die Einsicht aber in einer Weise ermöglicht, die (zumindest nach Auffassung des Mieters) nicht den rechtlichen Anforderungen genügt.
Der Fall
Zu einem Streit darüber, auf welche Weise der Vermieter die Belegeinsicht ermöglichen muss, war es auch in dem Fall gekommen, der der Entscheidung des AG Hamburg vom 11.07.2024 zu Grunde lag. Auch in diesem Fall ergab sich aus der von der Vermieterin erstellten und der Mieterin fristgerecht zugesandten Nebenkostenabrechnung ein Nachzahlungsanspruch der Vermieterin. Die Mieterin, deren Wohnung sich in Hamburg befand, erhob allerdings verschiedene Einwendungen und forderte die Vermieterin zur Gewährung einer vollständigen Belegeinsicht auf. Bis zu dem von ihr verlangten Zugang der Belege bzw. der Gewährung der Einsichtnahme in die Originalbelege machte die Mieterin von einem Zurückbehaltungsrecht an dem Nachzahlungsbetrag Gebrauch. Die Vermieterin, die neben ihrem Hamburger Büro insbesondere auch eines in Leipzig hatte, reagierte nicht auf die Aufforderung der Mieterin, verweigerte die Belegeinsicht aber auch nicht ausdrücklich. Da das Mietverhältnis inzwischen beendet war, erhob die Mieterin Klage auf Rückzahlung der Kaution. Die Vermieterin rechnete allerdings mit ihrem (vermeintlichen) Nachzahlungsanspruch aus der Nebenkostenabrechnung auf und beantragte insoweit Klageabweisung. Sie war der Ansicht, dass ein Zurückbehaltungsrecht der Mieterin wegen nicht gewährter Belegeinsicht nicht bestehe, da es sich bei der Belegeinsicht nicht um eine Bringschuld der Vermieterseite handele und insoweit das bloße Schweigen auf eine begehrte Belegeinsicht keine Verweigerung derselben sei. Nach Auffassung der Vermieterin hätte die Mieterin zu den üblichen Geschäftszeiten Einsicht in die Belege in den Geschäftsräumen der Vermieterin nehmen müssen. Zudem gäbe es einen Anspruch auf Übersendung von Belegkopien nur Zug um Zug gegen Kostenerstattung.
Die Entscheidung
Das AG Hamburg gab der Mieterin recht und verurteilte die Vermieterin zur Rückzahlung der Kaution ohne Verrechnung mit dem Nachzahlungsanspruch. Es hielt die Aufrechnung der Vermieterin mit diesem Nachzahlungsanspruch für unwirksam. Zur Begründung führt das Gericht aus, es bestehe kein aufrechenbarer Gegenanspruch der Vermieterin aus der Nebenkostenabrechnung, da der Mieterin insoweit ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Nichtgewährung der Belegeinsicht zustehe. Das Gericht bezog sich auf die BGH Rechtsprechung, wonach ein Mieter zur Leistung von Nebenkostennachzahlungen nicht verpflichtet ist, solange und soweit der Vermieter einem berechtigten Verlangen nach Belegvorlage nicht nachgekommen ist (vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2018 – VIII ZR 189/17). Eine ordnungsgemäße Belegeinsicht sei – so das AG Hamburg – trotz entsprechender Verpflichtung der Vermieterin nicht erfolgt.
Es sei unzutreffend, dass – wie die Vermieterin behauptete – die Mieterseite bei einer Nichtreaktion die Vermieterseite zu den üblichen Geschäftszeiten aufsuchen müsse. Vielmehr obliege es dem Vermieter, die Belegeinsicht zu ermöglichen und an einer Terminsfindung mitzuwirken. Ein Mieter, der sein Erscheinen ankündige, ohne etwas von der Verwaltung zu hören, könne in keiner Weise davon ausgehen, eine Belegeinsicht auch tatsächlich zu erhalten. Von der Mieterin habe daher nicht verlangt werden können, ohne Termin in den Geschäftsräumen der Vermieterin zu erscheinen.Hinzu komme außerdem, dass die Abrechnung in Leipzig erstellt worden sei. Bei einer Hamburger Mietwohnung bestehe keine Verpflichtung der Mieterseite, für die Belegeinsicht nach Leipzig zu fahren. Insoweit bestehe auch kein Anspruch auf Kostenerstattung der Vermieterseite. Vielmehr sei es Aufgabe der Vermieterin die Belegeinsicht in Hamburg zu ermöglichen, indem sie die Originalunterlagen und Belege in ihr Hamburger Büro verbringe. Da § 259 Abs.1 BGB in Bezug auf die dort enthaltene Belegeinsicht ein Tätigwerden der Vermieterseite im Hinblick auf die Ermöglichung der Belegeinsicht erfordere, habe die Vermieterin sich mit ihrem Schweigen auf das berechtigte Einsichtsbegehren vertragswidrig verhalten, so dass der Mieterin ein Zurückbehaltungsrecht zustehe.
Fazit
Das AG Hamburg stärkt die Mieterrechte vor allem in solchen Fällen, in denen sich die vermietete Wohnung nicht am Ort des (Haupt-) Sitzes des Vermieters befindet und erlegt dem Vermieter die Verpflichtung auf, die Belegeinsicht am Ort der Mietwohnung zu ermöglichen. Außerdem stellt das Gericht klar, dass Mieter im Falle einer fehlenden Reaktion des Vermieters auf ein Einsichtsbegehren nicht von sich aus im Büro des Vermieters erscheinen müssen. Das AG Hamburg sieht den Vermieter in der Pflicht, die Einsicht in die Originalunterlagen zu ermöglichen. Wie immer bei einem amtsgerichtlichen Urteil besteht jedoch auch bzgl. dieser Thematik die Möglichkeit abweichender Entscheidungen anderer Gerichte.
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