Go to Top

Mietrecht: Schadensberechnung mit Kostenvoranschlag (BGH, Urteil vom 19.04.2023 – VIII ZR 280/21)

Zum Leidwesen vieler Vermieter kommt es immer wieder vor, dass Mieter am Ende des Mietverhältnisses trotz entsprechender Verpflichtung und Fristsetzung durch den Vermieter, die von ihnen geschuldeten Schönheitsreparaturen nicht durchführen oder die Wohnung mit Mängeln zurückgeben, die sie schuldhaft verursacht haben. In derartigen Fällen steht dem Vermieter ein Schadensersatzanspruch gegen den Mieter zu. Nicht alle Vermieter lassen die Schönheitsreparaturen dann auch tatsächlich durchführen bzw. die Mängel beseitigen oder tun dies erst mit zeitlicher Verzögerung. Wird in diesen Fällen der Schadensersatzanspruch dennoch gegenüber dem Mieter geltend gemacht, wird die Höhe des Schadens regelmäßig an Hand eines vom Vermieter eingeholten Kostenvoranschlages ermittelt und die entsprechende Nettosumme dem Mieter in Rechnung gestellt. Viele Mieter halten diese fiktive Schadensberechnung für unzulässig mit der Folge, dass es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt.

Der Fall: Schadensberechnung an Hand eines Kostenvoranschlages

So verhielt es sich auch in dem Fall, über den der BGH mit Urteil vom 19.04.2023 zu entscheiden hatte. Auch in diesem Fall hatte der Mieter entgegen entsprechender Verpflichtung einen von ihm verlegten Bodenbelag nicht entfernt, schuldhaft verursachte Schäden nicht beseitigt und trotz Fristsetzung durch den Vermieter keine Schönheitsreparaturen durchgeführt. Der Vermieter lies zwar den Bodenbelag entfernen und einen neuen verlegen, sah aber von der Durchführung von Schönheitsreparaturen und der Beseitigung der übrigen Mängel ab. Dennoch verlangte er von seinem Mieter die an Hand eines Kostenvoranschlages ermittelten voraussichtlichen Nettokosten für die Durchführung aller vom Mieter geschuldeten Arbeiten, einschließlich der Kosten, die für die bereits von ihm durchgeführte Erneuerung des Bodenbelages entstanden waren. Die Schadensersatzklage des Vermieters hatte in den beiden ersten Instanzen keinen Erfolg. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht hielten die fiktive Schadensberechnung an Hand eines Kostenvoranschlages nicht mehr für zulässig und verwiesen zur Begründung auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17. In diesem Urteil hatte der BGH entschieden, dass eine fiktive Schadensberechnung an Hand eines Kostenvoranschlages im Werkvertragsrecht nicht mehr zulässig sei.

Besonderheiten des Werkvertragsrechts sind nicht auf Mietrecht übertragbar

Trotz dieser Entscheidung hob der BGH die mietrechtliche Entscheidung des Landgerichts auf und verwies die Sache zu Feststellungen zu Grund und Höhe des Schadens zurück. Zur Begründung führt der BGH aus, die in dem Urteil vom 22.02.2028 enthaltenen Erwägungen zur Unzulässigkeit einer fiktiven Schadensberechnung im Werkvertragsrecht beruhten auf den Besonderheiten des Werkvertragsrechts und seien nicht auf andere Vertragstypen, und damit auch nicht auf das Mietrecht übertragbar.

Der BGH erkennt zwar an, dass es zwischen den werkvertraglichen und den mietvertraglichen Vorschriften gewisse Gemeinsamkeiten gebe. So kenne z.B. auch das Mietrecht ebenso wie das Werkvertragsrecht Ansprüche des Mieters und des Vermieters auf Zahlung von Vorschüssen bei einer beabsichtigten Selbstvornahme. Da solche Ansprüche jedoch nur im laufenden Mietverhältnis bestünden, seien die Gemeinsamkeiten in Fällen wie dem vorliegenden unbeachtlich, in denen die Ansprüche ein beendetes Mietverhältnis betreffen.

Auch eine Gefahr einer Überkompensation bei fiktiver Abrechnung im Mietrecht bestehe nicht. Dieser werde – so der BGH-  zum einen dadurch begegnet, dass der Geschädigte nur die zur Erfüllung der Leistungspflicht erforderlichen Kosten beanspruchen dürfe. Zum anderen sei zu beachten, dass der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung bilde.

Der BGH betont außerdem ausdrücklich, dass die fiktive Schadensberechnung auch dann möglich sei, wenn der Vermieter – wie im vorliegenden Fall – mit der Ausführung der dem Mieter obliegenden, bei Mietende aber unterbliebenen Arbeiten bereits begonnen habe, solange er weiterhin fiktiv abrechne.

Fazit:

Das Urteil beseitigt die seit dem zum Werkvertragsrecht ergangenen Urteil des BGH vom 22.02.2018 bestehende Unsicherheit bei der Schadensberechnung und gibt Vermietern nicht nur Rechtssicherheit, sondern auch Freiheit und Flexibilität bei der Schadensbehebung und Schadensberechnung.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert