Um den Mieter vor Wohnungslosigkeit zu schützen, kann der Vermieter ein Wohnraummietverhältnis gem. § 573 Abs.1 BGB in der Regel nur dann ordentlich fristgerecht kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch einige Ausnahmen. Eine dieser Ausnahmen ist in § § 573a Abs.1 S.1 BGB geregelt und sieht vor, dass ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen vom Vermieter fristgerecht gekündigt werden kann, ohne dass es eines berechtigten Interesses im Sinne des § 573 BGB bedarf. Dies bedeutet, dass der Vermieter dem Mieter kündigen kann, ohne dass es einen objektiv berechtigten Grund hierfür gibt. Durch diese Ausnahme wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Mieter und Vermieter in einem Zweifamilienhaus eng zusammenleben und sich nicht aus dem Weg gehen können. Kommt es in diesem Fall zu Streit oder Spannungen, die sich wegen der räumlichen Nähe besonders stark auf das alltägliche Leben auswirken, soll der Vermieter das Recht haben, das Mietverhältnis ohne Angabe von Gründen beenden zu können.
Worüber das Gericht zu entscheiden hatte
Die Anwendung dieser Ausnahmevorschrift hat ihre Berechtigung, wenn nicht nur der Mieter, sondern auch der Vermieter ihre jeweiligen Wohnungen tatsächlich dauerhaft und überwiegend nutzen, so dass zu einem Großteil der Zeit eine räumliche Nähe besteht. Das LG Hanau hatte nun aber über einen Fall zu entscheiden, in dem der Mieter und die Vermieterin zwar beide jeweils eine Wohnung in einem Zweifamilienhaus bewohnten. Die Vermieterin nutzte ihre Wohnung jedoch jährlich nur wochenweise und hatte ihren Hauptwohnsitz im Ausland. Dennoch wurde dem Mieter das Mietverhältnis unter Berufung auf § 573a Abs.1 BGB ohne Angabe von Gründen gekündigt. Der Mieter hielt die Kündigung für unwirksam, weil er die Vorschrift des § 573a Abs.1 BGB für nicht anwendbar hielt und weigerte sich, die Wohnung zu räumen, so dass die Vermieterin Räumungsklage erhob.
Erleichtertes Kündigungsrecht setzt Lebensmittelpunkt des Vermieters voraus
Das LG Hanaus gab in Übereinstimmung mit der Vorinstanz dem Mieter recht und wies die Berufung der Vermieterin zurück. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass es sich bei § 573a Abs.1 BGB um eine Ausnahmevorschrift handele, die deshalb eng, und zwar dahingehend auszulegen sei, dass der Vermieter für einen Kündigungsanspruch nach § 573a BGB seinen Lebensmittelpunkt in der Liegenschaft haben müsse, es sich also um seinen Primärwohnsitz handeln müsse. Die nur zeitweise Nutzung reiche demgegenüber nicht aus. Mit dem Normzweck des § 573a BGB sei es nicht zu vereinbaren, auch Zweitwohnungen – egal in welchem Umfang diese genutzt würden – in den Schutzbereich des § 573a BGB zu stellen. Im Sinne des sozialen Wohnraummietrechts dürfe das erleichterte Kündigungsrecht daher lediglich dann eingreifen, wenn der Eigentümer bzw. Vermieter in dem Anwesen seinen Lebensmittelpunkt habe.
Fazit und Einordnung
Das Urteil schützt Mieter, die in einem Zweifamilienhaus leben, vor grundlosen Kündigungen und gibt ihnen Sicherheit, wenn der Vermieter seine Wohnung nur gelegentlich nutzt. Trotz dieser mieterfreundlichen Entscheidung des LG Hanau sollten Mieter sich nicht in Sicherheit wiegen, dass sie in Fällen- wie dem vorliegenden – stets vor einer Kündigung gem. § 573a Abs.1 BGB geschützt sind. Bei der besprochenen Entscheidung handelt es sich nämlich nicht um eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes, die in der Regel von Amts- und Landgerichten beachtet wird. Es ist keinesfalls auszuschließen, dass andere Gerichte abweichend entscheiden und das erleichterte Kündigungsrecht des § 573a Abs.1 BGB auch in Fällen wie denjenigen bejahen, über den das LG Hanau zu entscheiden hatte. Das LG Traunstein hat beispielsweise mit Urteil vom 03.05.2023 – 3 S 2451/22 – entschieden, dass die Kündigung eines Mietverhältnisses gem. § 573a BGB nicht voraussetze, dass der Vermieter in dem Wohngebäude seinen Lebensmittelpunkt habe, auch wenn es die Kündigung des Vermieters im konkreten Fall letztendlich ebenfalls für unwirksam hielt, weil der Vermieter die Wohnung nur 3 Tage alle 2 Monate nutzte. Dies sei – so das LG Traunstein – für die Kündigungsprivilegierung nach § 573a BGB nicht ausreichend, da der zeitliche Umfang derart gering sei, dass eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit von aus dem engen Zusammenleben herrührenden Spannungen nicht bestehe.
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